DAAB: Frau Dr. Waßmann-Otto, die kürzlich veröffentlichte Studie hat über die allergologische Fachwelt hinaus Aufmerksamkeit erregt und verunsichert unsere Birkenpollenallergiker. Geben Sie uns eine kurze Einführung in die Inhalte der Studie.
Dr. Anja Waßmann-Otto: Es gibt verschiedene Allergieauslöser in der Karotte, die unterschiedliche Proteinstrukturen aufweisen und damit unterschiedlich stabil gegenüber Hitze und pH-Wert Änderungen sind. Die in vitro-Daten zur Stabilität verschiedener Isoformen des speziellen Karottenallergens Dau c 1 zeigen, dass sich die Proteinstrukturen der meisten Isoformen trotz einer Hitzebehandlung von bis zu 95°C nach der Abkühlung auf 25°C wieder regenerierten. Die meisten Allergene erwiesen sich bei Raumtemperatur und der Einwirkung eines niedrigen pH-Werts von 3 - wie er üblicherweise nach der Nahrungsaufnahme im Magen vorherrscht - als stabil. Die Autoren der Veröffentlichung empfehlen für Patienten mit einer durch Dau c 1 induzierten Karottenallergie resümierend eine vollständige Karenz roher und gegarter Karotte.
DAAB: Frau Schäfer, wie lassen sich diese Ergebnisse in die Praxis übertragen?
Christiane Schäfer: Es gilt zu bedenken, dass die Ergebnisse der Studie in vitro-Daten sind. Diese lassen sich nicht eins zu eins auf Patienten übertragen. Diesen pauschalen Empfehlungen der Autoren gegenüber steht, die klinische Erfahrung mit den entsprechenden Patienten. Bei birkenpollenallergischen Patienten ist die Verträglichkeit pollenassoziierter Nahrungsmittel maßgeblich durch die Zubereitungsart (thermische Prozessierung, Oxidation durch Schälen oder Reiben) sowie durch die Lebensmittelmatrix (Kombination mit protein-/fettreichen Speisen) beeinflussbar. Die neuen Daten von Jacob et al. geben interessante Hinweise, die Anamnese hinsichtlich der Verträglichkeit gegarter Karotte auch bei birkenpollenallergischen Patienten zu schärfen und sorgfältig zu eruieren, wie es bereits bei Sellerie und Soja erfolgt. Die klinische Relevanz dieser in vitro-Beobachtung sollte aber zunächst in Studien mittels Nahrungsmittelprovokationen evaluiert werden, bevor aus den physikochemischen Eigenschaften eines Karottenallergens Aussagen für die Praxis abgeleitet werden können.
DAAB: Frau Dr. Dölle-Bierke, was bleibt nun an Empfehlungen für Menschen mit einer Birkenpollenallergie?
Dr. Sabine Dölle-Bierke: Eine pauschale Karenzempfehlung ist aus unserer Sicht nach aktuellem Stand für die Birkenpollenallergiker auch weiterhin nicht gerechtfertigt. Eine generelle Meidung eines Nahrungsmittels erscheint angesichts der Individualität des Reaktionsspektrums sowie der Kenntnis über die Bedeutung des Verzehrs verträglicher Verarbeitungsformen im Hinblick auf eine mögliche Förderung bzw. den Erhalt der oralen Toleranz jedoch grundsätzlich nicht sinnvoll.