Selbstverständlich besteht die Problematik nicht nur in rechtlichen Fragen. Aber es ist beruhigend zu wissen, dass man sich, von den unwahrscheinlichen Fällen der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handlung abgesehen, keine Sorgen bezüglich Schadenersatzzahlungen machen muss. Dass man sich, sollte tatsächlich mal was „schief“ gehen, damit auseinandersetzen muss, sich möglicherweise selbst Vorwürfe macht und vielleicht auch entsprechenden Vorwürfen ausgesetzt sieht, ist nicht leichtfertig ab zu tun. Mit diesem „Risiko“ leben Erzieherinnen und Erzieher auch bei jedem Spielplatzbesuch, Ausflug und Ähnlichem. Aber dieses Risiko kann man minimieren, in Bezug auf die Medikamentengabe insbesondere dadurch, dass man sich gut informiert oder informieren lässt. Das gilt für die Notfallmedikation bei anaphylaktischer Reaktion ebenso wie für die „normale“ Medikamentengabe. Dabei kann beispielsweise der behandelnde Kinderarzt über die Risiken der Grunderkrankung und der Medikamentengabe aufklären, die erfahrungsgemäß von den Akteuren – ob dies Erzieherinnen und Erzieher oder die Eltern und die Entscheidungsträger für die Einrichtungen sind - zumeist zu hoch eingeschätzt werden. Der Arzt kann auch erläutern, anhand welcher Symptome man erkennen kann, dass man und wie man frühzeitig eingreifen und damit vielleicht eine Intervention mit Medikamenten vermeiden kann. Damit hat man, ganz im Sinne des Präventionsauftrags der gesetzlichen Unfallversicherung, alles Mögliche getan, Schaden vom Kind abzuwehren. Und letztlich ist das Wohl des Kindes doch der Maßstab, der allen beteiligten Akteuren wichtig ist.
Weitergehende Hinweise finden sich in der DGUV-Information zur Medikamentengabe in Kindertageseinrichtungen[2].
Immer wieder wird die Frage gestellt, ob die Verantwortlichen einer Einrichtung den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Medikamentengabe verbieten können oder, von Trägerseite, verbieten sollten. Fragt man nach den Gründen, werden die Antworten oft nebulös. Dagegen kann nur eine bessere Information helfen. Insbesondere sind Informationen rund um die Erkrankung, über die Vorsichtsmaßnahmen und die Interventionsmöglichkeiten von Bedeutung.
Die konkrete arbeitsrechtliche Frage fällt nicht in unsere Zuständigkeit. Aber allgemein bekannt ist, dass der Arbeitgeber ein Direktionsrecht hat. Aus unfallversicherungsrechtlicher Sicht ist dazu anzumerken, dass der Gesetzgeber in § 7 Abs. 2 SGB VII ausdrücklich festlegt, dass selbst verbotswidriges Handeln das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nicht ausschließt. Das bedeutet konkret, ist das Handeln auf betriebliche Belange, auf die Erfüllung des Betreuungsauftrags gerichtet, wäre trotz eines Verbots einer Medikamentengabe die Erzieherin/der Erzieher dabei versichert. Auf den Versicherungsschutz des Kindes hätte ein solches Verbot ohnehin keinen Einfluss.
Man muss darauf hinweisen, dass unterlassene Hilfeleistung ein Straftatbestand ist. Wer im Notfall „…nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten ist“ (§ 323c StGB) muss eine Strafe fürchten. Bei allem, was es aus medizinischer Sicht zu den Interventionsmöglichkeiten bei einer anaphylaktischen Reaktion bekannt ist, erscheint diese Hilfeleistung allemal zumutbar zu sein. Aber unabhängig von einem strafrechtlichen Verfahren und der Frage, ob ein Verbot ausgesprochen wurde oder nicht, sollten sich Träger ebenso wie Erzieherinnen und Erzieher Negativschlagzeilen wie „Erzieher verweigern Hilfe für Kind bei anaphylaktischem Schock“ ersparen.
Quelle modifiziert nach Artikel aus Allergie konkret von
Eberhard Ziegler